Die Zeit des Dritten Reiches bedeutete für die damalige Heilanstalt Weinsberg den tiefsten Einschnitt in ihrer Geschichte. Am 18. Januar 1940, begann im Rahmen des Euthanasieprogramms unter dem Decknamen T 4 das systematische Morden in Grafeneck. Es war der Auftakt zu einem unvorstellbaren Verbrechen. Damals als unheilbar psychisch kranke geltende Menschen waren die ersten Opfer eines systematischen, von langer Hand vorbereiteten Ausrottungsplans, der sich später auch gegen andere vom NS-Regime als vermeintlich minderwertige eingestufte Menschengruppen ausweitete.
Nach der offiziellen „Einstellung“ der Euthanasie im Jahr 1941 ging das das Morden jedoch unauffällig weiter: Man ließ die Patient*innen einfach verhungern oder verweigerte ihnen jede medizinische Versorgung. Der Euthanasie fielen insgesamt etwa 300.000 Menschen zum Opfer, 10.654 Menschen waren es allein im württembergischen Grafeneck. Darunter waren auch 908 Patient*innen aus der Heilanstalt Weinsberg, die in den „Grauen Bussen“ nach Grafeneck gebracht worden. Heute erinnern ein Gedenkstein und ein Mahnmal im Klinikum am Weissenhof an Patient*innen, die diesem Verbrechen zum Opfer fielen.
Lange Zeit nach dem Kriege blieb die Erinnerung an die Euthanasie verschüttet oder, wahrscheinlich richtiger, sie wurde verdrängt. Die Bevölkerung war mit dem Wiederaufbau und der Organisation des neuen Lebens beschäftigt, die Täter*innen hatten naturgemäß kein Interesse an einer Aufklärung. Nur wenige wurden zur Rechenschaft gezogen. Erst in den 1980er Jahren wurde langsam begonnen, die Vergangenheit aus der NS-Zeit aufzuarbeiten. Der nationale Gedenktag im Jahr 1996 wurde vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführt.
Dieses dunkle Kapitel der Zeitgeschichte bewegt die Zentren für Psychiatrie bis heute. Wichtig ist, dass neben den Mitarbeiter*innen der Kliniken alle Bevölkerungsgruppen wach und sensibel bleiben und sich auf Dauer mahnend zu erinnern, damit sich solche Ereignisse nie mehr wiederholen können.
Das Klinikum am Weissenhof erinnert 2024 im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung in Kooperation mit der Weinsberger Initiative „Weinsberg damals“ an die Opfer der Euthanasie. Die Veranstaltung unter dem Titel „Euthanasie im Weissenhof“ findet am Freitag, 26. Januar 2024 um 18 Uhr in der Hildthalle Weinsberg statt. Zu sehen sind unter anderem kurze Video-Clips von Zeitzeugen. Pflegedirektorin Birgit Karl gibt danach einen Einblick in das Thema Euthanasie aus Sicht des Klinikums und gedenkt der damaligen Opfer. Der Eintritt ist frei.
Im Anschluss daran wird ab 19:30 Uhr die Initiative „Weinsberg damals“ im Rahmen einer Multimediapräsentation einen Blick auf die Weinsberger Geschichte von 1933 bis 1939 werfen und ihr neues Buch präsentieren. Der Eintritt zu diesem Teil der Kooperationsveranstaltung beträgt hier 8 Euro.